Wüste Teil 3

Merzouga ist Ausgangspunkt Nummer eins für Ausflüge in den Erg Chebbi, Marokkos bekanntestes Dünengebiet mit Dünen bis 200 m Höhe. Da wir kurz vor der Saison hier eintreffen, bleiben wir vom großen Trubel verschohnt. Auf der Schlafplatzsuche werden wir von nur einem einzigen geschäftstüchtigen Marokkaner besucht, der zunächst Rainer und Hannes beim Schaufeln durch unablässiges Gestarre auf die Nerven geht und sich nach einigen deutlichen Worten darauf verlegt, vor Sabine und mir Souvenirs und Schmuck auszubreiten, die er im Rucksack dabei hat. Auf dankendes Ablehnen von unserer Seite reagiert er nicht. Wieder müssen die Männer intervenieren, bis er es ernst nimmt. Immer das gleiche.


Wir verbringen die letzten beiden Nächte mit Rainer, Sabine, Vera und Falk unter einem knorrigen Baum inmitten von Dünen. Für diese Stelle hat sich die Anfahrt schon gelohnt. Die vergangenen zwei Wochen sind sehr schnell vergangen, vor allem weil wir so viel gefahren sind. In diesem Tempo fällt es schwer, die Schönheit der Wüste gebührend auf sich wirken zu lassen. Wir haben insgesamt ganze tausend Kilometer auf Pisten hinter uns gebracht.Dennoch hätten wir uns ohne die anderen niemals so weit in die Sahara gewagt, die bizarren Landschaften nicht gesehen und auch nicht so viel Vertrauen in die Belastbarkeit unserer Feuerwehr sammeln können. (Seitdem sind wir abseits der Straßen noch deutlich entspannter als vorher.)
Vielen Dank an Euch für diese tolle Erfahrung!
Zum krönenden Abschluss gibt es dann nochmal einen kleinen Unfall. Bennet kommt schreiend angerannt: „Hendrik blutet ganz doll am Kopf!“ Bitte nicht noch so eine Aktion, denke ich. Aber es ist halb so wild. Platzwunden am Kopf bluten eben stark. Henni sieht nur etwas gruselig aus mit blutüberströmtem Gesicht. Unfallursache ist die wohl zweitwahrscheinlichste in der Wüste (nach im Eis einbrechen): Er ist mit dem Kopf gegen den Baum gelaufen.

In Rissani, etwa 20 km nördlich von Merzouga, wollen wir Räucherstäbchen kaufen – wir erhoffen uns davon den entscheidenden Schlag gegen die supernervigen Fliegen. Nach einigem Gestammel mit dem Händler erklingt es hinter uns in akzentfreiem Deutsch: „Braucht ihr Hilfe bei der Verständigung?“ Wir drehen uns um und sind etwas irritiert. Dem visuellen Eindruck nach steht eine >astrein marokkanische< Familie vor uns. Das sind Hassan und Aicha mit ihren zwei Kindern auch, aber irgendwie dann wieder doch nicht. Aicha ist in Deutschland aufgewachsen, Hassan hat dort studiert und gearbeitet, zusammen sind sie sozusagen über 35 Jahre deutsch. Jetzt leben sie mit ihren Kindern seit einem Jahr wieder in Casablanca. Hassan arbeitet hier für eine deutsche Firma. Sie laden uns auf eine Mafluka (sogenannte Berberpizza, echt lecker) ein. Endlich mal jemand, mit dem wir uns unverfälscht über Marokko unterhalten können. Wir bombardieren sie mit Fragen.
Warum sieht man hier nur Männer in den Cafés?
Die Frauen arbeiten außerhalb auf den Feldern oder im Haus.
Stimmt es, daß Arztbesuche kostenlos für alle sind?
Klar, wenn du in die öffentlichen Praxen/Kliniken gehen willst … Wir gehen nur zu privaten Ärzten, einmal untersuchen 30 Euro, alles weitere extra.
Schulbildung und Berufsausbildung sind auch kostenlos?
Hier ist es genauso. Private Einrichtungen bieten eine viel bessere Bildung als öffentliche, kosten teilweise mehrere hundert Euro im Monat.
Muß man als Marokkaner auch jeden Preis verhandeln?
Ja, das ist echt anstrengend. Wir wissen selbst oft nicht, wie hoch eigentlich der reelle Preis ist.
Gefällt es euren Kindern hier?
Der Kleine (3J.) ist schon mehr Marokkaner als Deutscher, aber die Große (4J.) hatte anfangs den vielen Dreck hier bemängelt.
Was nervt mehr, deutsche Bürokratie oder marokkanische Gummibandzeit?
In Marokko zu arbeiten ist entspannter. Aber hat man etwas zu erledigen, braucht man in Deutschland drei Tage, hier dafür Wochen.
Wollt ihr langfristig hier bleiben?
Er: Kann ich mir gut vorstellen. Sie: Eher nicht.

Am Abend wollen wir eine der großen Dünen in Merzouga besteigen. Dort treffen wir die vier wieder. Sie kämpfen sich mit den kleinen tapfer nach oben, doch bei uns gibt es Ausfälle. Bennet und Matti kapitulieren vor dem aufkommenden Sandsturm.
Wir werden von Hassan und Aisha nach Casablanca eingeladen, werden das wohl aber nicht mehr schaffen (90-Tage-Touristenvisum für Marokko). Auf jeden Fall ist die Begegnung mit ihnen eine der nettesten, die wir hier haben.

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