Atlantikküste um El Jadida

Südlich von Rabat finden wir nach ausgedehnter Suche im Dunkeln die Potsdamer auf einer Wiese direkt hinter den Dünen. Neben reichlich Platz zum Spielen und Strandzugang bieten sich als weitere Highlights in einiger Ferne vorbeiziehende Dromedare und die in alle Richtungen verteilten bleichen Knochen eines Säugetierskeletts, nach der Größe der Oberschenkel- und Beckenknochen zu urteilen vielleicht ein Rind, der Schädel fehlte leider.
Am zweiten Abend dann plötzlich ein vertrautes Motorengeräusch. Die Jungs, eben noch quengelig, hungrig, müde, brechen in Jubelgeschrei aus. Hauke und Paula! Hauke und Paula! Hauke und Paula! Nach gerissenem Keilriemen und geplatztem Kühlwasserbehälter stoßen die Berliner mit leichter Verzögerung und Nerven wie Drahtseilen wieder zu uns.


Casablanca nutzen wir, um unsere Vorräte aufzufrischen. Ansonsten wirkt die Stadt wenig einladend. Villenviertel und Slums im Wechsel. Verkehrschaos. Hannes ist allerdings schon assimiliert (Widerstand ist zwecklos.) und fährt einfach im Trubel mit. Mein Anteil am Fahren beschränkt sich – Allah sei Dank – auf ein gelegentliches „Ich glaube wir müssen da vorne abbiegen, bin mir aber nicht sicher.“
Die kleinen Orte, die sich typischerweise links und rechts entlang der Hauptstraße ausbreiten, eignen sich gut zum Einkaufen von Obst, Gemüse und Brot und auch für ein leckeres Mittagessen in Form von Tajine und dem obligatorischen marokkanischen Tee. Dabei halten wir uns an die Regel, dort zu essen, wo auch viele Einheimische rumsitzen. Zwar stehen wir dann unter Dauerbeobachtung, aber die Zutaten sind frisch und authentisch (keine Tajine mit Pommes). Ansonsten gibt es entlang der Küste einige hübsche, ehemals portugiesische Städtchen mit gut erhaltenen Festungsanlagen, von denen die marokkanischen Jungs direkt in den Atlantik hüpfen.
Auf einem Campingplatz lernen wir eine britisch-französische Familie kennen und fahren einen Teil der Strecke gemeinsam mit ihnen. Die drei leben in einem alten MB 608 und es zieht sie ebenfalls in den Süden. „Wanna see the hippies, man.“

Auf der Suche nach Franz, Katrin und ihren Mädels, die einen halben Tag vorausgefahren sind, gurken wir irgendwann zur Dämmerung kurz hinter Safi in einem Mini-Dörfchen herum. Versuchen den Weg zum Strand zu finden. Zunächst biegen wir falsch neben einem Gehöft ab, enden in einer Sackgasse. Hannes und Hauke maneuvrieren unter dem Gekicher von einheimischen Frauen und Kindern rückwärts aus dem von Steinmauern flankierten Pfad wieder heraus. Als Hauke die Kamera zückt, um ein Bild von den Autos zu machen, sind sofort alle Frauen im Haus verschwunden. Tja, was heißt Mißverständnis auf arabisch? Dann bleibt der Bulli an der steilen Auffahrt zur Straße hängen. Eine Gruppe von Männern kommt uns entgegen. Sie helfen sofort beim Schieben und schlendern dann gut gelaunt weiter. Haben sich wahrscheinlich hinterher köstlich über die Touristen amüsiert.
Auf einem anderen Weg ein Stückchen weiter, inzwischen ist es dunkel, bleibt der VW-Bus im Sand stecken. Die Jungs sind begeistert, richtig Abwechslung und Spannung hier. Wir ziehen unseren kleinen Kumpel wieder raus und beschließen, die Nacht einfach an Ort und Stelle zu verbringen. Am nächsten Morgen kreuzen erwartungsgemäß Kinder auf und wollen Süßigkeiten und mit unseren Fahrrädern fahren. Ersatzweise verschenken wir Papierflieger. Doch die Jungs wollen immer mehr, klettern auf unseren Trittbrettern rum und richten sich scheinbar längerfristig neben uns ein. Die Mädchen beobachten uns wie immer aus einiger Entfernung, leicht hinter einem Busch versteckt und wagen sich keinen Schritt näher heran. Wir falten noch zwei Papierflieger und schicken Lasse und Henni zur Überbringung los. Mal sehen, was passiert. „Die haben erst komisch geguckt und die Flieger dann doch genommen.“ Nach ein paar Augenblicken sehen wir die kleinen Flugzeuge über den Büschen fliegen. Ein Mann kommt, vielleicht der Vater, und kontrolliert. Aber die Mädchen dürfen sie behalten. Interessant allerdings die Reaktion der Jungs. Sie stehen in einem engen Grüppchen zusammen, beobachten „den Vorfall“ erst stumm, diskutieren dann kurz und ziehen schließlich ab. Wir wissen nicht recht, wie wir das interpretieren sollen. Ist das jetzt verletzter Stolz oder sind die einfach nur baff? Hinterher wünschen wir uns, wir hätten für die Mädchen unser buntes Papier verwendet.

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