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Welcome to Finland

Tiefschwarze Finsternis umgibt uns, als wir uns östlich von Tromsö der Grenze zu Finnland nähern. Mond und Sterne sind hinter der dichten Wolkendecke, die wir schon am Tage in trauter Zweisamkeit mit dem Sturm bewundern konnten, nicht zu sehen. Das Licht, das bei diesem Wetter gewöhnlich reflektiert wird, fehlt hier, denn was sollte die Quelle sein? Kein Dorf, nicht einmal ein Haus ist zu sehen. Seit vielen Kilometern gibt es nicht einmal eine Abzweigung. Am „A…. der Welt“ zu sein wird hier für uns neu definiert – nicht ahnend, daß sich dies ein paar Tage später noch mit Leichtigkeit steigern lassen würde. Ständig laufen Mäuse quer über die Straße, Eulen fliegen hinterher. Dann ganz plötzlich ein hell erleuchteter Bungalow, zwei offiziell gekleidete Herren und das Hinweisschild Finnland/Suomi. Are you tourists? – Yes. – Welcome to Finnland.

Kurz hinter der Grenze befinden wir uns in den finnischen „Highlands“ mit dem am höchsten gelegenen Ort in diesem Land, Kilpisjärvi, knapp 500 Meter über dem Meerespiegel. Beim Essen nähert sich zur Freude der Jungs ein Fuchs der Feuerwehr und schnüffelt an den Kartoffelschalen, die ich in einen kleinen Busch gekippt habe. Eine Wanderung führt uns dann tatsächlich noch auf über 1000 Meter hoch und wir begegnen sogar einem weißen Rentier. Eins wird hier schlagartig deutlich: der Herbst hat begonnen. Die orange-gelben Birkenwälder sind wunderschön, aber es ist kalt geworden. Wir beschließen, noch einen Nationalpark und die Samenstadt Inari zu besuchen, dann aber endgültig in den Süden zu fahren.

Auf dem Weg in den Lemmenjoki-Nationalpark wird uns dann noch mal klar, wie weit in der Wildnis wir uns befinden. Die Hauptroute aus dem Westen (Nähe schwedische Grenze) in den Nordosten Finnlands ist eine Sandpiste. Hannes muß für etwa 50 Kilometer sogar Allrad zuschalten, da die Straße durch den seit Tagen immer wiederkehrenden Regen schlammig ist und sich mehr nach einer Skipiste anfühlt. (Am nächsten Morgen sieht das Auto aus wie Sau und der Auspuff ist von der Jackelei fast aus der Führung gerutscht.) Die Fahrbahnmarkierung bilden in den Boden gesteckte, mit reflektierendem Klebeband umwickelte Äste, von denen einige wieder Wurzeln geschlagen haben – es wachsen Blätter aus ihren Enden. Eine Rentierherde kreuzt unseren Weg, wenig später ein Hase, dann ein Fuchs. Der verantwortungsvolle Vater unterhält nach Einbruch der Nacht Lasse mit der alten Gruselgeschichte von einem Typen der allein einen einsamen Waldweg entlangfährt, dann anhält, da sich etwas auf der Straße befindet, aussteigt und bei der Entdeckung, daß es sich um eine hinterhältig abgelegte Strohpuppe handelt, panisch zum Wagen zurückrennt, die Tür zuschlägt und davonrast. Am nächsten Morgen findet er im Auto einen Finger – abgequetscht, als er nach ihm ausgestreckt wurde … Die Story verfehlt ihre Wirkung nicht. Lasse und ich gruseln uns schön. Die Kleinen schlafen.

Mädels – eines muß ich noch sagen. Die nordischen Männer sind eine Enttäuschung! Was hatte ich erwartet? Den großen, breitschultrigen Outdoor-Typen mit wildem Haar und Dreitagebart natürlich! (An dieser Stelle erscheint vor meinem inneren Auge ein gewisser Oberarzt mit den Worten „Frauen sind ja so oberflächlich.“) Aber mal ehrlich. Keinen einzigen gutaussehenden Mann hab ich bis jetzt hier gesehen – von den fünf heißen Typen, die sich gerade Plastikstückchen in die Fahrradspeichen klemmen, weil es so schön laut rattert, selbstverständlich abgesehen! Die Schwedinnen übrigens haben alle Erwartungen erfüllt. Ist auch mir aufgefallen und von autorisierter Stelle bestätigt worden. Lobend aber muß der Musikgeschmack der Skandinavier erwähnt werden. Wir hören gerade im Radio ein Special zu den Foo Fighters, ausgewogen durchwirkt von Bands wie Green Day und – natürlich – Nirvana. Diesbezüglich kann ich mich nicht beschweren.

Sjnjierák

 

Wir sitzen gerade bei zwei Kaffee und vier Kakao mit Schlagsahne in der Fjällstation in Kvikkjokk und trocknen nach einem verregneten Abstieg vom Sjnjierák (800 Höhenmeter). Beim Aufbruch gestern Abend schien die Sonne noch durch die Wolken, der Wetterbericht hatte gelegentliches Nieseln und Sonnenschein für den nächsten Morgen vorausgesagt. Die Dame in der Fjällstation schätzte unsere Aufstiegsdauer mit den Kindern auf etwa 2 ½ Stunden. Und hell ist es hier ewig, also los (19 Uhr). Nach der ersten halben Stunde unter andauernder Mückenattacke setzte der Nieselregen ein und steigerte sich zu einem wahren Guß, als wir nach 1 ¾ Stunden (hähä!) in Gipfelnähe kamen. Hannes wartete schön mit Pfadfinder-Geschichten auf, die immer damit endeten, dass er mit seinen Kumpels damals durchnäßt und müde bei Einbruch der Nacht (also exakt unserem Status nur ohne die vier kleinen, nassen, müden Kinder) an einer überfüllten Hütte angekommen war und zwangsläufig weiterziehen oder im Freien übernachten mußte. Dementsprechend war mir also leicht mulmig zumute, als die Hütte in Sicht kam. Hannes kam mit den Jungs (selbstverständlich) vor mir dort an, öffnete die Tür machte einen Schritt hinein und … drehte sich grinsend zu mir um. Leer. Die Hütte ganz für uns allein. War wohl kein anderer so doof, dem Wetterbericht zu vertrauen und um die Zeit zu einer Bergwanderung aufzubrechen.
Mit Stockbrot und Marshmallows am Feuer war es dann sogar richtig gemütlich, dem inzwischen sintflutartigen Regen draußen zu lauschen.
Am nächsten Morgen leider auch kein der Vorhersage entsprechendes Wetter … Regen. Irgendwann entschlossen wir uns zum Aufbruch. Trotzdem waren die Jungs bergab bis auf Matti („die Füße sind nahaß!“) bei bester Laune. Abstiegsdauer 1 Stunde. Ich denke, wir können bald mal in die Hohe Tatra – mit geeigneten Schuhen.