Chefchaouen die Zweite

Möchte man marokkanische Straßenbaukunst einmal live erleben, so befahre man die Hauptroute entlang der Mittelmeerküste zwischen Al Hoceima und Tetouan vorzugsweise nach Einbruch der Dunkelheit. Was im Reiseführer noch als löchrige, enge Teerstraße in schlechtem Zustand beschrieben wird (schreckt uns schon lang nicht mehr), entpuppt sich als etwa 80km lange Baustelle, Unbehagen inklusive. Alle paar Kilometer sind Bagger, Planierraupe und Co. im Einsatz, dazwischen Schotter und Schlamm. Umfahrungen gibt es mangels Platz nicht, ebenso wenig wie Beleuchtung, Fahrbahnmarkierungen oder Befestigungen der Abhänge. Wir drängen uns also mit den Horden Baustellen-LKW, die Sand, Steine oder Stahl zwischen den Abschnitten transportieren, auf den paar Metern zwischen Fels und Abgrund, gerne auch im Gegenverkehr. Irgendwann hat Hannes keinen Bock mehr und hält in einer Nische, die gerade nicht bearbeitet wird. Ja, die Felswand direkt neben uns wirkt hier auch nicht ganz so brüchig wie anderswo. Der ideale Schlafplatz also. Was ich nicht verschweigen will: die Abschnitte der Mittelmeerküste, in denen nicht gebaut wird, sind so schön, daß wir uns sogar an die Lofoten erinnert fühlen.

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Fès

Wir überqueren das Atlasgebirge, erledigen die Versicherungsformalitäten in Meknes und machen uns dann auf schnellstem Wege auf nach Fes, das religiöse und kulturelle Zentrum Marokkos, wie seine Bewohner stolz behaupten. Wie immer meiden wir die Neustadt so gut es geht, steuern direkt die Medina an und stürzen uns ins Getümmel. Anfangs ist man etwas an Marrakech erinnert. Die engen Gassen der Souks, die Gerüche, die Souvenirläden, die vielen Touristen. Doch Fes ist anders. Keine Anmache durch die Händler, man kann einfach gucken und weitergehen, die Enge wirkt gemütlich, nicht chaotisch, in den Cafés sitzen Einheimische neben Europäern. Und die Medina ist schön, überall reich verzierte Türen, Torbögen, kleine Brunnen. Wir wollen auf einer der unzähligen Dachterassen etwas essen. Als Hannes zielstrebig vier Kefta- und Hühnchen-Tajine und den typischen Tee für sechs Personen bestellt und auch noch den Preis runterhandelt, ist man schon etwas irritiert – die meisten Fes-Besucher sind seit Kurzem in Marokko, man sieht es an der vornehmen Blässe.
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Langsam drängt die Zeit …

… und zum ersten Mal auf unserer Reise haben wir das Gefühl, nicht mehr alles Geplante schaffen zu können. Wir müssen in ein paar Tagen in Meknes sein, um unsere Fahrzeugversicherung zu verlängern, und wollten doch im Süden noch einiges sehen. Auch nördlich des Atlasgebirges haben wir uns eigentlich einiges vorgenommen, vor allem der Osten ist touristisch kaum erschlossen, aber das 90-Tage-Visum läuft bald ab, dann müssen wir raus aus Marokko.

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Cascades de Tizgui

Kurz vor Erreichen der Straße der Kasbahs machen wir einen Abstecher zu einem kleinen Wasserfall, der mangels Regen aktuell eher einem größeren Rinnsal gleicht. Hier treffen wir auf Omar, der, wie auch in unserem Reiseführer beschrieben, ein kleines Freiluftrestaurant betreibt. Er bewirtet uns mit Tee und Tajine. Es ist so entspannt, die Jungs plantschen im Wasser, daß wir stundenlang bei ihm sitzen. Er schnattert offensichtlich auch gern. Wir erfahren erstmal seine Familiensituation (sechs Kinder, vier Enkel), dann seine Ansichten zum Thema Verschleierung (Komplettverschleierung bescheuert, Großstadtmode aber auch). Beim Thema Syrien ist er sicher, Assad wird noch gehängt. Hussein, Gaddafi und Bin Laden haben sie ja auch gekriegt. Zwischendurch kommt eine marokkanische Familie vorbei, später eine Gruppe junger Männer mit Musikinstrumenten. Nach dem Gruppenfoto vor dem Wasserfall legen sie gleich noch ein Ständchen hin, um Hannes für seine Foto-Assistenz  zu danken. Omar singt entspannt von seinem Teppich aus mit. Uns fällt wieder auf: ein Haufen Männer und keine einzige Frau dabei.

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Raus aus der Wüste

Am Morgen wird der Sandsturm von einem mächtigen Gewitter abgelöst. Jetzt überqueren wir so manche überflutete Straße, die sonst über ein ausgetrocknetes Flußbett führt. Irgendwie ziehen wir hier den Regen an. Auf einem Campingplatz waschen wir noch unsere Wäsche und tauschen dabei mein kaputtes Fahrrad (Rahmenbruch) und die alte Kurbelwaschmaschine (auf der Reise zweimal benutzt) gegen einen Berberteppich ein.

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Wüste Teil 3

Merzouga ist Ausgangspunkt Nummer eins für Ausflüge in den Erg Chebbi, Marokkos bekanntestes Dünengebiet mit Dünen bis 200 m Höhe. Da wir kurz vor der Saison hier eintreffen, bleiben wir vom großen Trubel verschohnt. Auf der Schlafplatzsuche werden wir von nur einem einzigen geschäftstüchtigen Marokkaner besucht, der zunächst Rainer und Hannes beim Schaufeln durch unablässiges Gestarre auf die Nerven geht und sich nach einigen deutlichen Worten darauf verlegt, vor Sabine und mir Souvenirs und Schmuck auszubreiten, die er im Rucksack dabei hat. Auf dankendes Ablehnen von unserer Seite reagiert er nicht. Wieder müssen die Männer intervenieren, bis er es ernst nimmt. Immer das gleiche.

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Wüste Teil 2

Die Sahara besteht nur zu einem geringen Anteil aus Sand. Haben wir vorher nicht gewußt – jetzt schon. Kilometer um Kilometer zieht sich die Piste durch eine nicht enden wollende Steinwüste. Mal kurvig, mal schnurgerade, auf einer weiten Ebene, dann wieder bergauf und bergab – aber Steine, Steine, Steine. Was für uns langweilig ist, ist für die Kinder eine Zumutung. Stundenlanges Fahren. In den Dünen war hinten Party, da mußten sie sich nicht anschnallen. Hier erscheint uns das doch zu gefährlich. Die ganze Karre wackelt so sehr, daß Lasse und Bennet nicht mal mehr lesen können. Auch im Koffer gibt es Verluste. Eine Zusammenfassung: die Bücher lösen sich vom vielen Runterkrachen (trotz Gurt) aus ihren Einbänden, vier Tassen gehen zu Bruch, drei Liter Milch und eine Flasche Cola laufen aus, die Schraubdeckel von den umgekippten Marmeladengläsern lösen sich (was sich daraus ergibt, ist ja klar), ein Einlegeboden kracht durch (keine Folgeschäden außer Chaos im Schrank), die Verkleidung der Heizung wird zerlegt (okay, war Plastik) und der Behälter für die Scheibenwischerflüssigkeit jackelt sich ab und verschwindet auf Nimmerwiedersehen – merken wir natürlich erst bei verschmutzungsbedingt stark eingeschränkter Sicht. Nur gut zu wissen, was man unserer alten Feuerwehr alles zutrauen kann. Ist eben ein LKW, aber der wird nächstes Jahr auch schon 40.
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Wüste Teil 1

Hinter Tissint verlassen wir wieder die asphaltierte Straße. So weit im Süden sind die Araber in der Minderheit (10%), den Hauptanteil an der Bevölkerung machen Berber und Haratin (die Nachkommen schwarzer Sklaven) aus. Von der Rückbank schallt es: „Guckt mal, ganz viele richtige Afrikaner!“

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die erste Piste – das erste Foto

Von Tafraoute aus durchfahren wir sozusagen als Rundhauberkolonne die Ait-Mansour-Schlucht. Die Einwohner staunen nicht schlecht über uns. Wir sind vor allem von der Landschaft mal wieder gefesselt. Eben noch haben wir eine karge und steinige Bergkette überquert – Matti hat in den Serpentinen gleich mal gekotzt, obwohl er schon einen privilegierten Vorwärts-Sitz innehat – und plötzlich finden wir uns in einem Djungel aus Palmen wieder. Kurz hinter dem Tal verlassen wir den Asphalt und befahren unsere erste richtige Piste. Sie verläuft entlang bzw. teilweise durch das steinige Flussbett des Oued Tazougart. Der Fluss führt nur nach starken Regenfällen Wasser, seit Monaten also gar keines. Uns umgibt eine Welt aus Steinen. lebensfeindlich und schön zugleich. Die Feuerwehr rumpelt und hoppelt mächtig, hinten fliegt alles durcheinander. Die Jungs finden`s natürlich cool.
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Tafraoute

Tafraoute, ein 8000-Einwohner-Ort im Antiatlas, gemütlich und in traumhafter Landschaft gelegen. Es sind mal wieder 40°C. Lasse schwitzt bis zum Abwinken in seinem Klappbett unterm Dach. Also fahren wir an die nächstbeste Schweißerbude ran und erklären kurz, was wir wollen: Dachluke, etwa 40 cm breit, möglichst über dem Herd, da kann die Hitze gleich abziehen. Kein Problem, kommt morgen früh wieder, dann geht`s los, wir brauchen einen Tag. Kurze Preisverhandlung noch, mit 900 Dirham sind wir dabei. Da sind sie unkompliziert, die Marokkaner. Das Ergebnis ist auf den Fotos zu bestaunen. Wir sind zufrieden. Filigran gearbeitet ist sie nicht, aber beim ersten Regenguß, nebenbei bemerkt dem ersten in Marokko überhaupt, hat sie schon Dichtigkeit bewiesen. Zusätzlich lassen wir noch drei Kisten zur Stauraumerweiterung anfertigen.
Und übrigens tragen sie hier beim Schweißen wenigstens `ne Sonnenbrille …
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Speicherburg und Dattelpalmenoase



In Agadir machen wir einen kurzen Zwischenstop um einzukaufen. Die Stadt hat so gar nichts Marokkanisches, gleicht eher europäischen Badeorten. In einem Vorort namens Ait Mellul lassen wir die schon lange fällige Auspufferneuerung durchführen. Rost und die hiesigen Straßen haben ihm mächtig zugesetzt. Die arbeiten hier echt sofort und unkompliziert – über die Mängel im Arbeitsschutz sehen wir mal hinweg. Paula und Hauke besorgen sich Ersatzteile für ihre Gasanlage und suchen dann südlich von Agadir einen Schlafplatz, während wir weiter südöstlich irgendwo landen. Wir genießen es ein bißchen, mal wieder allein unterwegs zu sein, wollen uns in ein paar Wochen wieder mit ihnen treffen.
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Paradise Valley

Das Paradise Valley nördlich von Agadir verdankt seinen Namen den Hippies der 60er Jahre, die hier ihrem Aussteigerleben frönten. Leider gibt es die hier heute nicht mehr. Aber die Umgebung ist noch immer paradiesisch. Und hier treffen wir Hauke und Paula wieder und machen Bekanntschaft mit einem Aussteigerpärchen, zwei modernen Hippies sozusagen. Eli M. und Uli Phillipps verbringen seit fünf Jahren nur noch die Sommer bei Freunden und Familie in Deutschland und leben sonst europa- und nordafrikaweit in ihrem Pinzgauer, einem Dreiachser, der die Männerherzen höher schlagen läßt.
Da es in der Sonne hier gern mal 40°C sind, verbringen wir die Tage im Tal am Wasser oder faulenzend im Liegestuhl. Die Kinder gurken mit den Rädern die umliegenden Hügel hoch und runter. Und dann kommt, was nach acht Monaten unterwegs eigentlich kommen mußte. Einer stürzt. Wir hören es nur krachen und sehen eine Staubwolke hinter dem Hügel aufsteigen. Hannes sprintet los und kommt mir dann mit dem kreidebleichen Lasse entgegen, über dessen rechter Augenbraue eine 3cm breite und richtig tiefe Wunde klafft. Die wird vom lange Draufschauen auch nicht kleiner, und die nächste Stadt (Agadir) ist etwa zwei Autostunden entfernt. Also spülen wir die Wunde mit Kochsalzlösung, die ich eigentlich für den Fall einer heftigen Magen-Darminfektion vorgesehen hatte, und nähen dann die tiefere Schicht. Hauke reicht das Material an und sprüht im Minutentakt Octenisept auf die Nadel. Hannes hält Lasses Kopf. Der hängt schief im Klappstuhl und sagt, ihm tut das Knie weh. Die Haut wird mit Steri-Strips geklebt. Ich komme mir vor wie im Basiscamp am Mount Everest, nur wärmer. Auf den Schreck bekommen hinterher alle selbstgemachten Mango-Lassie von Eli serviert.
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Über den Tizi’n’test nach Taroudannt

Nach der glücklichen Bergung meines Kindle entschließen wir uns zu etwas Wagemut. Unser Buch empfielt, mindestens einen Pass im Hohen Atlas mal zu fahren und preist sogleich den Tizi-N-Test als landschaftlich schönsten aber gefährlichsten an. Für Wohnanhänger und große Wohnmobile soll die Strecke nicht geeignet sein. Sind wir ja nicht. Also los.
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Ouzoud

Die Ouzoud-Wasserfälle sind die höchsten Marokkos und sehr schön in einem Tal des Hohen Atlas gelegen. Gucken wir uns natürlich an. Von Marrakech etwa zwei Autostunden entfernt – aber selbstverständlich nicht mit unserem Auto. So ist es also wieder dunkel, als wir das Gebirge und somit die letzte Etappe mit den Serpentinen erreichen. Nach einigen Minuten stoppen wir an einer Brücke. Auf Haukes Karte ist sie mit einer 15 markiert. Heißt das, sie trägt 15 Tonnen? Sieht irgendwie nicht so aus. Obenauf liegen Metallplatten, die teilweise gegeneinander verschoben sind. Dazwischen kann man bis auf den Fluß hinunterspähen. Wir erwägen, einfach hier zu schlafen und am nächsten Morgen erstmal zu beobachten, wer sich da so drüber traut. Da kommt ein PKW angefahren. Die drei Marokkaner sind wie immer sehr zuversichtlich. Ja, die 15 steht für die Tragkraft. Hier fahren auch Laster drüber. Ihr werdet alle sicher sein – Inshallah. Als uns das noch nicht überzeugt, bietet einer an, die Feuerwehr selbst rüberzufahren. Das will Hannes dann auch nicht. Die Marokkaner fahren vor. Die losen Platten scheppern ordentlich. Dann kommt der Fahrer zurück, will uns einweisen – die Brücke ist schmal und einweisen tun die hier alle gern. Na gut, wenn der auf der Brücke steht, während wir rüberfahren, hat er wohl Vertrauen. Es geht dann auch alles gut. Die Strecke fahren wir auf jeden Fall im Hellen zurück, wegen der Fotos.
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Marrakech

Allah sei Dank fahren wir nach Einbruch der Nacht nach Marrakech hinein. Die Automassen sind erträglich, wir überfahren aus Versehen cirka 20 Lasterverbotsschilder und der Parkplatz in direkter Nähe zur Medina und der berühmten Kutubiya-Moschee ist … na sagen wir mal noch befahrbar. Wir quetschen uns rückwärts an die Mauer zwischen einen PKW und einen einheimischen Laster. Die Berliner finden etwas weiter vorn noch ein Plätzchen. Erstmal pennen, morgen Erkundung der Umgebung und Riad-Suche.
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Atlantikküste um Essaouira

,Kurz vor Essaouira finden wir `nen richtig coolen Stellplatz bei einem Ort namens Mulay Irgendwas und schlagen dort für drei Tage unser Lager auf. Die Männer gehen surfen, abends sitzen wir am Lagerfeuer. Ab und an treibt einer seine Ziegen- oder Rinderherde vorbei, Dromedare stehen auf dem Nachbarhügel. Eine ältere Frau ist neugierig, kommt auf ihrem Esel zu uns und guckt sich uns erstmal an. Nach einigem Zeichensprachen-Hin-und-Her stellt sich heraus: Das Land, auf dem wir stehen, gehört ihrer Familie. Das wir hier sind, stört sie überhaupt nicht. Sie lacht und schnattert viel. Wir lachen auch und verstehen kein Wort. Sie kommt uns noch zweimal besuchen, schenkt uns Tee, Brot und Öl, bemalt Paula und Jessica die Handflächen mit Henna. Wir kaufen frisches Gemüse und Eier von ihr. Die Kinder dürfen auf dem Esel sitzen.
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Atlantikküste um El Jadida

Südlich von Rabat finden wir nach ausgedehnter Suche im Dunkeln die Potsdamer auf einer Wiese direkt hinter den Dünen. Neben reichlich Platz zum Spielen und Strandzugang bieten sich als weitere Highlights in einiger Ferne vorbeiziehende Dromedare und die in alle Richtungen verteilten bleichen Knochen eines Säugetierskeletts, nach der Größe der Oberschenkel- und Beckenknochen zu urteilen vielleicht ein Rind, der Schädel fehlte leider.
Am zweiten Abend dann plötzlich ein vertrautes Motorengeräusch. Die Jungs, eben noch quengelig, hungrig, müde, brechen in Jubelgeschrei aus. Hauke und Paula! Hauke und Paula! Hauke und Paula! Nach gerissenem Keilriemen und geplatztem Kühlwasserbehälter stoßen die Berliner mit leichter Verzögerung und Nerven wie Drahtseilen wieder zu uns.
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